27/04/2020
Keine Gaspreiserhöhung bei fehlender Belehrung über Kündigungsrecht des Verbrauchers
Der zweite Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat durch Urteil vom 13.06.2012 entschieden, dass Gaspreiserhöhungen dann gerichtlich scheitern, wenn die jeweiligen Kunden durch den Gasversorger nicht bei jeder Gebührenerhöhung auf ihr Kündigungsrecht hingewiesen bzw. informiert worden sind. Hintergrund des Urteils ist folgender Sachverhalt.
Ein Gasversorger aus Viersen hatte 2011 vor dem Landgericht Mönchengladbach eine Viersener Gaskundin auf Zahlung von mehr als 5.000 € verklagt, weil diese sich geweigert hatte, die vom Gasunternehmen berechneten Gaspreiserhöhungen für den Zeitraum vom September 2005 bis September 2010 zu zahlen. Das Landgericht Mönchengladbach hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Gegen diese Entscheidung hatte die Gaskundin Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt.
Mit Urteil vom 13.06.2012 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage des Gasversorgers abgewiesen und entschieden, dass die Gaskundin nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Die Kundin habe einen Grundversorgungsvertrag geschlossen, auf den die Regeln der GasGVV bzw. AVBGasV anzuwenden seien. Die GasGVV regelt, zu welchen Bedingungen Gasversorgungsunternehmen Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung zu beliefern haben.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellt fest, dass sowohl die GasGVV als auch die zeitlich vorher geltende AVBGasV entsprechend dem europarechtlichen Vorgaben auszulegen sind. So verpflichtet die Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55/EG die Mitgliedsstaaten, transparente Vertragsbedingungen festzulegen. Die Richtlinie verlangt unter anderem, dass Gasversorger jede Gebührenerhöhung ihren Kunden unmittelbar mit angemessener Frist vorab mitteilen und dabei auch über das Kündigungsrecht des Kunden informieren müssen. Die GasGVV berücksichtigt diese zwingenden europarechtlichen Vorschriften nicht, weil die GasGVV keine Belehrung über das Kündigungsrecht des Kunden vorsieht . In der bis November 2006 geltenden AVBGasV ist darüber hinaus auch nicht die unmittelbare Mitteilung per Brief an den Gaskunden vorgesehen. Da der Gasversorger im vorliegenden Fall nicht auf das Kündigungsrecht und auf Gaspreiserhöhungen nur teilweise per Brief hingewiesen worden ist, können die gerichtlich geforderten Erhöhungen nicht verlangt werden.
Dieses Urteil ist selbstverständlich auch auf das aktuelle Verfahren der Stadtwerke Lingen GmbH gegen diverse Kunden vor dem AG Lingen einzubeziehen, da auch die Stadtwerke Lingen ihre Kunden nicht auf das Ihnen zustehende Kündigungsrecht hingewiesen haben . Wir haben das hochinteressante Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf bereits in das Verfahren vor dem Amtsgericht Lingen eingeführt. Sobald sich etwas Neues tut, werden wir Sie unterrichten.
Urteil Oberlandesgericht Düsseldorf AZ V I -2U (Kart) 10/11 vom 13.06.2012