27/04/2020
Kurzurlaub mit Folgen
Kurz vor Feierabend erscheint in meiner Kanzlei Frau Schmidt. Sie teilt mit, dass ihr Mann vor ca. 3 Jahren den kleinen Metallbetrieb ihres ehemaligen Chefs erworben hat. Dafür hat er erhebliche Kreditmittel in Anspruch genommen. Die letzten drei Jahre seien durch viel Arbeit geprägt gewesen. Sie Frau Schmidt sei Hausfrau. Gemeinsam habe man drei Kinder.
An Versicherungen habe man wegen der Kosten des Betriebs lediglich eine Risikolebensversicherung. Sie und ihr Mann seien nunmehr nach 3 Jahren zum ersten Mal in einem Kurzurlaub in Hamburg gewesen. Nach einem Konzertbesuch ist ihr Mann abends in der U-Bahn von einem Jugendlichen massivst geschlagen und getreten worden. Ihr Mann habe dadurch bleibende Schäden davon getragen und sei berufsunfähig. Nennenswerte Versicherungen seien nicht vorhanden. Der Betrieb musste aufgegeben werden. Ihr Mann beziehe wegen seines Alters nur eine kleine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Frau Schmidt ist am Boden zerstört und bittet um Beratung. Auf meine Frage, ob ihr Mann eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen habe, verneint sie dies. Gleiches gilt für eine Unfallversicherung. Auch sei eine private Pflegeversicherung für das vorliegen eines Pflegefalls nicht abgeschlossen worden. Ich teile Frau Schmidt mit, dass letztendlich nur Ansprüche gegen den Schädiger geltend gemacht werden können. Frau Schmidt teilt dazu mit, dass es sich um einen 23 Jahre alten jungen Mann handelt, der keine Berufsausbildung hat und seit mehreren Jahren von Harz VI lebt.
Ich muss ihr leider mitteilen, dass die Realisierung von Schadens- und Schmerzensgeldansprüchen gegen den Schädiger wegen offensichtlicher Vermögenslosigkeit keinen Sinn macht. Anschließend frage ich nach einer privaten Haftpflichtversicherung. Glücklicherweise hat die Familie Schmidt eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Bei Durchsicht der Versicherungspolice stelle ich erfreulicherweise fest, dass Familie Schmidt in ihrer Haftpflichtversicherung auch eine sogenannte Forderungsausfallversicherung abgeschlossen hat. Dies bedeutet, dass diese Forderungsausfallversicherung als Teil der eigenen Haftpflichtversicherung den eingetretenen Schaden im Rahmen der Forderungsausfallversicherung abdeckt, wenn der Schädiger, wie hier, weder versichert ist noch über ausreichendes Privatvermögen verfügt.
Da Herr Schmidt sonstige Vorsorgeversicherungen nicht abgeschlossen hat, ist dies die einzige Möglichkeit, die einzelnen Schadenspositionen geltend zu machen.
Der Fall zeigt, dass zwei Versicherungen unabdingbar sind. Dies ist zum einen die private Berufsunfähigkeitsversicherung und die private Haftpflichtversicherung, die um eine sogenannte Forderungsausfallversicherung erweitert werden sollte. Man sollte bei dieser Forderungsausfallversicherung nicht bei der Mindestversicherungssumme sparen, sondern diese großzügig ansetzen.
Hubert Ratering – Fachanwalt für Arbeits- und Versicherungsrecht –