27/04/2020
Mindestlohn in der Pflegebranche gilt nicht nur für die Vollarbeitszeit, sondern auch für Bereitschaftszeit
Mit Urteil vom 28.11.2012 hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg festgestellt, dass der Mindestlohn in der Pflegebranche nicht nur für die Vollarbeitszeit, sondern auch für Bereitschaftszeiten gilt. Die Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg lautet wie folgt:
Der Mindestlohn in der Pflegebranche gilt nicht nur für die Vollarbeitszeit, sondern auch für Bereitschaftszeiten.
Das folgt aus § 2 Abs. 1 PflegeArbbV, der nicht nach der Art der erbrachten Tätigkeit differenziert. Für den Anspruch auf Pflege-Mindestlohn ist auch nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer ausschließlich pflegerische Leistungen erbringt. Andere Leistungen wie z.B. hauswirtschaftliche Tätigkeiten sind unschädlich, wenn insgesamt pflegerische Tätigkeiten der Grundpflege überwiegen.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei dem beklagten privaten Pflegedienst beschäftigt. Der Beklagte setzte sie im Auftrag der katholischen Kirche in einem Schwesternhaus ein, wo die Klägerin zwei Schwestern zu pflegen hatte. Vertraglich vereinbart war die Erbringung von „Rund-um-die-Uhr-Diensten“, zumeist 15 Tage am Stück. Während der Dienste wohnte die Klägerin im Schwesternheim in unmittelbarer Nähe zu den Schwestern.
In diese Dienste fielen Zeiten der Vollarbeit und auch Bereitschaftszeiten. Wann genau Vollarbeit zu erbringen war und wann die Klägerin Bereitschaft hatte, war vertraglich nicht geregelt.
Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten über die vertraglich vereinbarte Pauschalvergütung hinausgehende Entgeltzahlungen. Zur Begründung machte sie geltend, dass das Mindestentgelt i.H.v. 8,50 €/Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV für die vollen 24 Stunden eines „Rund-um-die-Uhr-Dienstes“ zu zahlen sei. Das LAG gab der Klage ganz überwiegend statt, ließ aber wegen der besonderen Bedeutung des Rechtsstreits die Revision zum BAG zu.
Die Gründe:
Die Klägerin kann grds. für die vollen 24 Stunden ihres „Rund-um-die-Uhr-Dienstes“ die Zahlung des Pflegemindestlohns verlangen. Lediglich soweit sie auch für Pausenzeiten Vergütung begehrte, war die Klage teilweise abzuweisen.
Die Anwendbarkeit des Pflege-Mindestlohns auch auf Bereitschaftsdienste ergibt sich aus § 2 Abs. 1 PflegeArbbV, der nicht nach der Art der erbrachten Tätigkeit differenziert. Deshalb sind im Bereitschaftsdienst erbrachte Arbeitsleistungen mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit.
Der Anspruch auf den Pflege-Mindestlohn setzt auch nicht voraus, dass der Arbeitnehmer ausschließlich pflegerische Leistungen erbringt. Ausreichend ist vielmehr, wenn im Rahmen der Leistungserbringung die pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege i.S.v. § 14 Abs. 4 Nr. 1 – 3 SGB XI überwiegen. Dann ist nämlich der Anwendungsbereich der Mindestentgeltregelungen gem. § 1 Abs. 3 PflegeArbbV eröffnet und sind auch andere Tätigkeiten, wie z.B. hauswirtschaftliche Leistungen i.S.v. § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI, mit dem Mindestentgeltsatz gem. § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu vergüten.
Urteil LAG Baden- Württemberg vom 28.11.2012 4 Sa 48/12
Dies bedeutet, dass Pflegekräfte auch bei privaten Pflegediensten für Bereitschaftszeiten den Pflegemindestlohn verlangen können. Dies kann sogar rückwirkend für 3 Jahre erfolgen, sofern keine einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen existieren.
Sofern Sie zu dieser Thematik Fragen haben können Sie sich gerne mit Herrn Rechtsanwalt Hubert Ratering – Fachanwalt für Arbeitsrecht – in Verbindung setzen.