27/04/2020
Rückwirkende Änderungen von Versicherungsverträgen- Verfassungswidriger Eingriff in die Private Altersvorsorge der Verbraucher-
Wie exzellente Lobbyarbeit zu Lasten der Versicherten im Bundestag abläuft, zeigt die gute Berichterstattung der hiesigen Zeitung hinsichtlich der nachträglichen Änderung von Versicherungsverträgen durch den Bundestag am 08.11.2012.
In einer Nacht- und Nebelaktion hat die Schwarz-Gelbe Koalition Anfang November beschlossen, Millionen Deutsche um einen Teil ihrer privaten Altersvorsorge zu bringen. Der Bundestag (anwesend waren nur ca. 40 Abgeordnete) hat am 08.11.2012 die nachträgliche Kürzung der Überschussbeteiligung von Lebensversicherungen durch Änderung der Bewertungsreserven bei Altverträgen beschlossen. Betroffen sind Millionen von Verbrauchern, insbesondere die Gruppe der 40-65 jährigen. Hintergrund ist, dass diese noch Lebensversicherungen bzw. Produkte der privaten Altersvorsorge mit einem Garantiezins von bis zu 4 % vertraglich abgeschlossen haben. Die Höhe dieser Garantiezinsen stellt die Versicherer zur Zeit aufgrund der seit längerem andauernden Niedrigzinsphase vor erhebliche finanzielle Probleme. Aufgrund der sehr guten Lobbyarbeit hat der Deutsche Bundestag dies rückwirkend geändert.
Nach dem neuen Gesetz soll Geld, das eigentlich für Versicherte vorgesehen war, bei den Versicherungskonzernen verbleiben. Mitbekommen hat diese Änderung kaum jemand, die Reihen im Bundestag waren auch fast leer. Heimlich still und leise wurde die Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes im Rahmen eines „SEPA-Begleitgesetzes- Neuregelung zur Schaffung des europäischen Zahlungsraumes – versteckt.
Dies ist ein Schlag für Millionen von Verbrauchern. Ausgerechnet die Politiker, die jahrelang private Altersvorsorge gepredigt haben, tragen jetzt dazu bei, dass erneut rückwirkend die Versicherungsbranche profitiert, während Millionen von Versicherten kaum noch den Inflationsausgleich erhalten und ihre private Altersvorsorge gekürzt wird. Dieser Fall wird das Vertrauen in die Politiker und die „Politik“ weiter schwächen. Dass sich immer mehr Menschen von den Parteien und Politikern abwenden, dürfte aufgrund dieser Vorgehensweise nicht überraschen. Bereits vor einigen Jahren hatte die Bundesregierung bei Direktversicherungen rückwirkend beschlossen, dass der Auszahlungsbetrag der Krankenversicherungspflicht unterliegt, mit der Folge, dass nicht unerhebliche Beträge von der Ablaufleistung zum Zeitpunkt der Rente an die jeweiligen Krankenkassen abgeführt werden mussten, zu Lasten der Versicherten, die Jahrzehnte gespart hatten- Politik nach Kassenlage.
Dass es bei rückwirkenden Änderungen von Gesetzen auch anders geht, zeigt folgendes, weiteres aktuelles Beispiel:
Die SPD will zukünftig die Altersbezüge ( „Ehrensold“) von Bundespräsidenten bei nur kurzer Amtszeit kürzen. Gelten soll dies auch für den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff, der aufgrund seiner kurzen Amtszeit dann mit einem gekürzten „Ehrensold“ leben müsste. Dies führte zu einem Aufschrei in der Union. Der Haushaltsexperte Norbert Barthle der Union lehnte den Vorschlag mit der Begründung ab, eine rückwirkende Änderung komme verfassungsrechtlich nicht in Betracht und sei auch in dieser Legislativperiode nicht möglich. Im Übrigen sei der Vorschlag wegen des Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig, nichtig und auch politisch zweifelhaft.
Merke:
Alle Menschen sind gleich – nur manche sind gleicher.
Hubert Ratering –
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Lingen –